Der Gärtner war es … nicht! Wie schreibe ich gute Plot Twists? 12. Februar 2024

Quelle: Susan Weber / unsplash.com

Die Krimi- und Thrillerautor:innen unter euch kennen es besonders gut: Das Grundgerüst der Story steht, die Geschichte nimmt an Fahrt auf, verschiedene Täter:innen werden präsentiert, jeder ist verdächtig – und dann geht es um die große Enthüllung. Wer war es oder whodunit, wie man so schön im Englischen sagt. Dieser eine Moment trifft die Leser:innen im besten Fall so unerwartet, dass sie komplett aus den Socken gehauen werden. Na gut, so extrem funktioniert das vielleicht nicht jedes Mal, doch gut geschriebene Plot Twists sind die unsichtbaren Helden einer jeden Story.

Plot Twists sind natürlich nicht nur im Krimi oder Thriller Genre beheimatet. Ob du nun Romance, Fantasy oder Science-Fiction schreibst, der Plot Twist einer Story hilft dir im richtigen Moment die Aufmerksamkeit deiner Leser:innen neu zu gewinnen, alles davor geschehene in einem völlig neuen Licht erscheinen zu lassen, aber auch vorher aufgebaute Situationen, Beziehungen oder Charakterentwicklungen „eskalieren“ zu lassen. Damit muss nicht immer eine negative Art der Eskalation gemeint sein! Eine Eskalation kann auch sein, dass Charakter A endlich die wahren Gefühle von Charakter B erkennt – das Missverständnis, dass die beiden auseinandergehalten hat, wird endlich aufgeklärt.

Doch wie kannst du die besten Plot Twists für deine Story schreiben?

Was sind coole Plot Twists, die deine Leser:innen am Ende nicht mit einem Augenrollen zurücklassen? Sprich, der berühmte (und vielleicht auch inzwischen etwas verpönte) Trope „es war alles nur ein Traum“. Diese Wendung kann bei deinen Leser.innen schnell Unmut hervorrufen – denn wozu soll ich völlig in eine Geschichte eintauchen, wenn am Ende alles gar nicht passiert ist? Es nimmt deiner eigenen Story und aufgebauten Welt schnell die Relevanz. Wichtig ist zu wissen, was du mit deinen Erzählkünsten erreichen und welche Themen du ansprechen willst. Hier mal zwei Ideen aus bekannten Romanen (ratet gerne mal mit, welche literarischen Werke ich hier gemeint habe):

  • Eine junge Frau verschwindet spurlos und alles sieht nach einer brutalen Tat aus. Die Kleinstadt, in der sie lebt, ist in völligen Aufruhr. Eine Hexenjagd nach dem oder der Täter:in beginnt. Schnell gerät ihr Ehemann ins Visier, der verzweifelt versucht, seine Unschuld zu beweisen. Durch eine geschickt platzierte Rückblende wird den Lesenden plötzlich klar, dass die junge Frau quicklebendig ist und ihr eigenes Gewaltverbrechen lediglich vorgetäuscht hat. Dieser Plot Twist verändert die anfängliche Charakterisierung der weiblichen Protagonistin grundlegend und wirft ein völlig neues Licht auf die Ehe der beiden Protagonisten, die hier im Mittelpunkt steht. Dadurch, dass die Rückblende eher in der Mitte der Story platziert ist, bleibt noch genug Zeit, eine neue Welt mit neuen Beziehungsgefügen aufzubauen und die Lesenden dazu zu bringen, ihre bereits gemachten Ansichten über die Charaktere zu überdenken
  • Nach einem verehrenden Schiffbruch bleibt ein Junge allein auf einem der Rettungsboote zurück – nun ja, nicht ganz allein, er teilt sich das Boot mit einem ausgewachsenen bengalischen Tiger. Die beiden arrangieren sich notgedrungen miteinander. Als das Rettungsboot schließlich an der mexikanischen Küste angespült wird und der Junge gerettet wird, erzählt er von seiner Reise mit dem Tiger. Doch niemand will ihm Glauben schenken und er wird gedrängt die Wahrheit zu erzählen. Der Junge erzählt eine andere Variante seiner Geschichte, die auch beinhaltet, dass seine eigene Mutter auf diesem Rettungsboot umgebracht wurde. Am Ende stellt er die Frage, welche Geschichte denn nun wahr sei – doch eine schlussendliche Antwort, kann nicht gegeben werden. Bei diesem soften Twist lässt der Autor den Lesenden viel Freiraum, ihre eigenen Gedanken und Vermutungen zu hinterfragen und sich mit existentiellen und philosophischen Themen auseinanderzusetzen. Einfach dadurch, dass am Ende des Romans zwei Varianten derselben Geschichte präsentiert werden.

 

Das Wichtigste, um gute Plot Twists und gute Stories im Allgemeinen zu schreiben, ist, mit Spaß an die Sache ranzugehen und die eigene Kreativität immer wieder neu herauszufordern. Schau dir viele verschiedene Filme an und beobachte, wie die Stimmung der Szenen sich während des Twists ändert und wie der Film sich danach anfühlt. Wie anders wirken die Charaktere oder die Farben und die Lichtstimmung auf dich? Manchmal hilft es, visuelle Beispiele vor Augen zu haben, um die Atmosphäre deines eigenen Romans neu zu schreiben. Wenn du am Anfang deiner Story bist, nimm dir eine bestimmte Ausgangssituation und schreib so viele Varianten wie möglich, inwiefern du die Story mit einem Twist verändern kannst. Keine Bewertung, nichts zerdenken – einfach schreiben und schauen, wohin dich deine Fantasie spontan bringen kann!

Denn deiner eigenen Kreativität sind niemals Grenzen gesetzt und sind deine eigene wunderbare und weitläufige Spielwiese, also nutze sie! Und denk immer daran – auch literarische Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden ;).