Leseprobe Dunkle Wahrheit

1

Das war ein guter Ort zum Sterben. Wenn er sich jetzt hinsetzte, würde er nie wieder aufstehen. Chris Bernasconi ging trotzdem auf die Holzbank zu.

Sein Körper schmerzte, als würde er von innen zerfressen, in seinem Kopf hämmerte es wie in einem aktiven Bergwerk.

Chris Bernasconi atmete tief aus und setzte sich. Er spürte das warme Holz der Bank und blickte auf den endlos erscheinenden Baikalsee. Das Wasser funkelte in der Sonne. Es roch nach Fisch und Meer, auch wenn Letzteres im Grunde nicht sein konnte.

Aber in diesem Land war ohnehin alles anders, als er erwartet hatte.

Die meisten Klischees über Russland stimmten nicht, das galt erst recht für Sibirien. So brannte auf seiner von Ekzemen übersäten Haut die Sonne und statt von Schneeflocken wurde er von Schnaken umschwärmt.

Sie stachen ihn gleich zu mehreren, doch Chris Bernasconi wehrte sich nicht. Es war sinnlos, die Schnaken zu töten, wahrscheinlich würden sie es ohnehin nicht überleben, wenn sie von seinem Blut tranken.

Außerdem hatte er keine Kraft mehr, sie zu verjagen.

Er hatte einen der größten Umweltskandale der Neuzeit aufgedeckt, doch das war nichts gegen das, was noch kommen würde.

Die Menschheit musste gewarnt werden.

Was, wenn es Darius nicht schaffen würde?

Wenn sie ihn vorher abfingen?

Gemeinsam hatten sie jahrzehntelang für höhere Sicherheitsvorkehrungen gekämpft, für funktionierende Notfalllösungen, für echte Alternativen.

Doch für sich selbst hatten sie darauf verzichtet.

Mit zittrigen Händen nahm Chris Bernasconi ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche. Er atmete schwer, jede Bewegung schmerzte, sogar das Anknipsen des Kugelschreibers.

Es ging um die Wahrheit.

Er wusste, die Menschen wollten die Wahrheit gar nicht hören, sondern das, was gut klang, was in ihr Weltbild passte.

So wie die Legende, dass die Amerikaner für die Mondlandung Millionen Dollar für die Entwicklung eines Kugelschreibers ausgegeben hatten, der in der Schwerelosigkeit schreiben konnte, während die Russen einfach Bleistifte verwendet hatten.

Die Geschichte klang gut, fußte auf bekannten Vorurteilen und war massenhaft verbreitet worden. Doch sie war von vorn bis hinten erfunden. Fake News.

Willkommen im postfaktischen Zeitalter.

Die Menschen glaubten nur das, was sie glauben wollten.

Und was sie nicht sahen, das gab es nicht.

Obwohl es die größte Gefahr von allen war.

Doch er musste die Menschen warnen, selbst wenn es nur ein Teil von ihnen verstehen würde.

Unter Schmerzen strich Chris Bernasconi das Papier glatt, setzte zu schreiben an und spürte wieder dieses wahnsinnige Hämmern unter seiner Schädeldecke.

Ein Tropfen Blut fiel auf die Spitze des Kugelschreibers und benetzte das Papier darunter. Chris Bernasconi fasste sich an die Nasenflügel, betrachtete seine blutverschmierte Hand und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Konzentrier dich!

Der Kugelschreiber versagte, ließ ihn die Worte ins Leere schreiben.

Er drehte das Papier um, drückte den Kugelschreiber fester, doch er schrieb immer noch nicht.

Das Blut tropfte weiter.

Chris Bernasconi wollte aufstehen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Er sackte zur Seite, riss noch einmal die Augen auf, doch als er auf dem harten Boden aufschlug, bemerkte er es schon nicht mehr.

2

Mia Adam hing am Kühlturm eines Atomkraftwerks auf hundertzwanzig Metern Höhe und fragte sich, warum von allen Aktivistinnen ausgerechnet sie nicht mit einem Polizeieinsatz gerechnet hatte.

Weil sie ausnahmsweise auf der anderen Seite stand? Weil Tim sie mit seinem Charme überredet hatte, bei der Aktion dabei zu sein, da er drei Mitstreiter ersetzen musste?

Also hatte sie mitgemacht, obwohl sie Polizistin war.

„Ohne dich muss ich die Aktion abblasen“, hatte er erklärt und hinzugefügt, dass sich die Polizei die letzten Male immer zurückgehalten habe. „2014 haben wir mit über hundert Aktivisten das AKW Beznau geentert, sind am Reaktorgebäude hochgeklettert und niemand hat uns daran gehindert.“ Er hatte ihr versprochen, dass niemand erfahren würde, wer diese kleine, junge, hübsche Aktivistin mit dem rothaarigen Bubikopf war.

Das Wörtchen hübsch hatte den Ausschlag gegeben und sie verfluchte sich dafür.

Dieser Sommermorgen wäre ideal für ein entspanntes Picknick im Grünen gewesen, doch stattdessen war sie schon um vier Uhr morgens aufgestanden, vom Treffpunkt nach Däniken gefahren worden und hing jetzt am Kühlturm, ausgestellt wie ein Orang-Utan-Weibchen im Zoo. Neben Mia prangte ihr Plakat, mit der wenig diplomatischen Aufschrift: Atomkraft ist scheiße, in Japan gibt’s Beweise.

Unten am Kühlturm standen ein paar Sicherheitsleute des Kraftwerks und Dutzende Polizisten.

Die Polizei war eben nie dort, wo man sie brauchte.

Und gerade jetzt konnte Mia die Kollegen überhaupt nicht brauchen.

Einer der Polizisten schrie etwas in ein Megafon, aber sie verstand kein Wort.

Sie blickte zu den anderen Aktivisten, Ratlosigkeit stand in ihren Gesichtern. Dann gab Tim das Signal zum Abseilen.

Sie schaute ihn voller Unverständnis an, doch er schien entschlossen, aufzugeben.

Aber Mia war nicht hier, um aufzugeben, sie war hier, um zu kämpfen. Wenn sie festgenommen wurde und Bundespolizeichef Graf das mitbekam, dann konnte sie ihre Marke abgeben.

Und wie sollte Graf es nicht mitbekommen, wenn die Polizisten sie verhafteten?

Tim seilte sich ein paar Meter ab und alle anderen folgten ihm.

Bis auf Mia.

„Was ist?“, rief er und blickte nach oben zu ihr. „Wir müssen runter!“

„Warum?“, entgegnete sie und kannte doch die Antwort schon.

„Wir haben keine Chance.“ Er deutete auf die Polizisten unter ihnen. „Außerdem ist unser Ziel erreicht. Wenn sie uns festnehmen, kommen wir bestimmt in die Tagesschau.“

Alles, nur das nicht, dachte Mia und hielt sich weiter am Seil fest.

3

Montage hatten etwas Bedrückendes an sich, aber der erste Tag nach dem Urlaub war noch viel deprimierender. Fiel beides zusammen, fühlte sich der Morgen wie eine kleine Katastrophe an. Das Lebenswerte trat in den Hintergrund und der Zwang in den Vordergrund.

Als Erik Lindberg nach dem Aufstehen in den Spiegel schaute, sah er nicht – wie die Kolleginnen immer meinten – Jude Law mit Anfang dreißig, sondern einen übermüdeten Kommissar mit Ringen unter den Augen.

Als er später einen der dunkelblauen Anzüge anlegte, die er normalerweise auf der Arbeit trug, kam dieser ihm zentnerschwer vor. Klar war es schön, Kolleginnen wie Mia Adam und Katharina Zach wiederzusehen, auf andere wiederum hätte Erik Lindberg noch jahrelang verzichten können.

Zu letzteren zählte sein Vorgesetzter, Bundespolizeichef Beat Graf.

Lindberg fuhr zur Arbeit und war keine fünf Minuten anwesend, da zitierte Graf den Kommissar schon zu sich.

Kurz darauf saß Lindberg auf diesen unbequemen Besucherstühlen in Grafs Büro und sah dem Bundespolizeichef zu, wie der sich einen Espresso aus seiner persönlichen Kaffeemaschine eingoss. Natürlich, ohne Lindberg einen anzubieten.

„Während Ihrer Abwesenheit hat sich einiges getan.“ Graf strich sich über die polierte Glatze und fragte nicht mal anstandshalber, wie denn Lindbergs Urlaub verlaufen war.

„Gibt es einen neuen Fall?“, fragte Lindberg, obwohl er sich sicher war, dass er davon aus der Presse erfahren hätte.

Graf schüttelte den Kopf. „Ich hatte Kontakt mit den Kollegen vom Landeskriminalamt in Berlin.“ Er legte eine genüssliche Pause ein, nippte an seinem Espresso – und in dem Moment wurde Lindberg klar, dass es heute nicht bei einer kleinen Katastrophe bleiben würde.

„Ich hab mich schon immer gewundert, wie Sie diesen Wohlers so schnell wieder fassen konnten, nachdem er aus dem Gefängnis entflohen war.“ Graf blickte Lindberg überheblich an.

„Das war ein mehrfacher Mörder“, erwiderte Lindberg. „Meine Freundin lag wegen ihm monatelang im Koma, erst jetzt, während meines Urlaubs, konnte sie auf eine Aufwachstation verlegt werden, sie muss jedes Wort einzeln lernen, sie kann noch nicht wieder laufen …“

„Rache war noch nie ein guter Ratgeber“, unterbrach ihn Graf.

„Ich habe mich nicht gerächt“, sagte Lindberg. „Ich habe Wohlers nur dorthin gebracht, wo er hingehört: ins Gefängnis.“

„Genaugenommen hat das die Kollegin Adam erledigt.“ Graf runzelte die Stirn. „Wo steckt die eigentlich?“

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Lindberg und auch wenn er hoffte, dass das Thema Berlin damit erledigt war, ahnte er, dass der Bundespolizeichef ihm diesen Gefallen nicht tun würde.

„Zum Dienstbeginn um acht Uhr war niemand in ihrem gemeinsamen Büro.“ Graf schüttelte ungehalten den Kopf.

„Wenn wir einen Fall haben, arbeiten wir dafür am Wochenende oder nachts.“

„Oder Sie fliegen mal eben nach Berlin.“

Lindberg schluckte.

„Den Kollegen dort ist aufgefallen, dass der Schlüssel zur Asservatenkammer fehlt. Also haben die eine Inventur der Beweismittel gemacht und dabei festgestellt, dass ein Sudoku-Heft des besagten Herrn Wohlers ausgetauscht wurde.“

Lindberg schloss die Augen, doch er spürte förmlich, wie Grafs Blicke ihn durchbohrten.

„Jedenfalls stammt das Sudoku-Heft, welches in der Asservatenkammer lag, aus dem letzten Jahr, Wohlers hingegen ist viel früher festgenommen worden. Also kann es sich nicht um das Heft handeln, welches konfisziert worden ist.“ Er grinste herablassend. „Es sei denn, Wohlers hat eine Zeitmaschine erfunden.“

Lindberg schluckte noch mal. Er hatte das Heft bei seinem Besuch in Berlin entwendet, weil Wohlers es nach seinem Gefängnisausbruch von ihm erpressen wollte. Also musste das Heft ein Geheimnis in sich tragen. Zusammen mit seinem Freund Gehirnklitschko hatte Lindberg schließlich herausgefunden, dass in den Sudoku-Zahlen die Kontonummer für ein Schweizer Nummernkonto verschlüsselt war, auf dem die Beute aus vorherigen Raubzügen von Wohlers lagerte. Daraufhin hatte er Wohlers in der Bank eine Falle gestellt. Dieser hatte sie leider gewittert, war am Ende aber mit Mias Hilfe festgenommen worden.

Soweit perfekte Polizeiarbeit, auf die man hätte stolz sein können, wäre da nicht das illegal entwendete Beweismittel gewesen.

„Was Sie vielleicht nicht wussten“, sagte Graf und trank mit Genießermiene seinen Kaffee aus. „In der Asservatenkammer in Berlin gibt es neuerdings eine Überwachungskamera.“

Lindberg blickte seinen Vorgesetzten mit großen Augen an. Er wusste, wie sich unbedarfte Verdächtige verhielten, und hatte gerade jeden derer Fehler begangen. Das musste selbst Graf auffallen.

„Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten“, sagte Graf. „Ich kündige Sie fristlos …“ Er machte eine Pause und ließ den Satz wirken.

Fassungslos schaute Lindberg ihn an. Du mieser, dreckiger Bastard.

4

Darius Rebarski knöpfte sein Holzfällerhemd auf und sah mit Erschrecken, dass die krebsroten Ekzeme und die eitrigen Entzündungen wieder aufgeblüht waren. Sein Kopf fühlte sich an, als sei darin ein Staudamm gebrochen und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Angesichts der Umstände war das mehr als verständlich. Doch warum hatte er sich erst besser gefühlt und jetzt dieser Rückschlag?

Vorsichtig richtete er sich auf, nahm das Gummi aus seiner Jeans, strich sich die Haare glatt und band sie zu einem Pferdeschwanz. Er blickte auf seine Armbanduhr. Er musste die Zeit nutzen, die ihm blieb. Man weiß nie, wann es zu Ende geht.

Manchmal fragte er sich, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er Chris damals in Berlin nicht kennengelernt. Glücklicher? Vielleicht, aber Lämmer waren nur deshalb glücklich, weil sie nicht wussten, dass sie bald auf die Schlachtbank geführt wurden.

Chris. Ein Schweizer, der in Berlin Physik studierte. Das gab es selten. In London, New York oder Boston, dort studierte man Physik, wenn man über das nötige Kleingeld verfügte und Karriere machen wollte. Aber nicht in Berlin. Doch Chris hatte nicht Karriere machen wollen. Er hatte etwas lernen wollen. Fürs Leben.

Was für eine abgedroschene Phrase. Und doch stimmte sie. Wo gab es noch einen Lehrstuhl für Physik, der wirklich unabhängig war? Der nicht von einem Energiekonzern, einem Anlagenbauer oder einem Elektronikmulti gesponsert wurde? Wo der Lehrplan nicht von den Ehemaligen bestimmt wurde, die Karriere gemacht hatten?

Auf dem Papier waren alle unabhängig, aber auf dem Papier ließ sich auch das Restrisiko gegen Null rechnen. „Es ist immer eine Frage der Rundung“, pflegte ihr Professor zu sagen, wenn man ihn fragte, wie groß die Risiken wirklich waren.

Ja, man konnte alles abrunden, selbst die größten Werte. Man musste nur noch Größere finden und die beiden in ein Verhältnis zueinander bringen.

Was sie allerdings entdeckt hatten, ließ sich nicht mit irgendwelchen Rundungen beseitigen. Es waren keine hypothetischen Berechnungen, es waren Fakten.

Niemand würde diese Beweise je beseitigen können. Er musste nur dafür sorgen, dass man sie fand.

Es klang so einfach und doch war es unglaublich schwer.

Darius Rebarski nahm eine Literflasche Wasser, die noch zu einem Drittel gefüllt war, leerte sie und hatte immer noch Durst. Er schleppte sich ins Bad, stolperte dabei, hielt sich am Waschbecken fest und setzte sich dann auf die Schüssel. Es kamen nur ein paar Tropfen. Es brannte.

Doch das war nun wirklich sein geringstes Problem. Er schmiss sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht, fuhr sich durch den zerzausten Bart und blickte in den Spiegel. Seine Augen waren rot wie Streichholzköpfe. Und ebenso schmal. Das Licht im Bad schmerzte. Vielleicht sollte er sich eine Sonnenbrille besorgen? Das letzte Mal hatte er eine in den Achtzigern getragen. Klar, wer hatte das damals nicht?

Hatte man sich damals abschirmen wollen, von dem was um einen herum geschah? Bhopal, die Challenger-Katastrophe, Tschernobyl, Sandoz, Rammstein, die Exxon Valdez. Die Aufzählung ließ sich beliebig fortsetzen. Er war in den Achtzigern als Spätaussiedler aus Polen nach Deutschland gekommen und hatte gedacht, jetzt würde alles besser.

Doch dann war eine Katastrophe nach der nächsten geschehen. Er war noch ein Kind gewesen und hatte trotzdem alles hautnah mitbekommen. Vielleicht genau aus diesem Grund. Waren seine Eltern nicht schon viel zu abgestumpft gewesen? Er hatte damals viele Fragen gehabt, doch Antworten hatte es keine gegeben. Beschwichtigungen ja, aber keine Antworten.

Darius Rebarski nahm sich ein schwarzes Tuch, band es über seine Haare wie ein Pirat und steckte sich eine Selbstgedrehte an. Er nahm einen Zug und hustete. Sein Atem rasselte, als habe man ihn in Ketten gelegt. Er hätte schon lange mit dem Rauchen aufhören sollen.

Doch jetzt war es auch egal.

Er öffnete seine Sporttasche, versicherte sich zweimal, dass die Fotokamera und der Chip gut darin verpackt waren und schloss sie wieder. Er hatte es aus Sibirien hierher geschafft, jetzt musste er nur noch zum Treffpunkt. Ohne sich noch einmal umzublicken, nahm er den Hotelschlüssel und verließ das Zimmer.

Rebarski reichte dem Portier den Schlüssel, zahlte in bar, kaufte sich am Kiosk nebenan zwei Flaschen Wasser und stieg in das erstbeste Taxi. Erschöpft ließ er sich auf die Rückbank fallen. Er spürte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb.

5

Polizeichef Graf nippte noch mal an seinem Espresso und warf Lindberg dann ein selbstgefälliges Grinsen zu. „Ich werde Sie also fristlos entlassen“, wiederholte er. „Oder, Möglichkeit zwei, Sie erledigen einen Spezialauftrag für mich.“

„Einen Spezialauftrag?“ Lindberg wiederholte die Worte betont langsam, damit seine Gedanken mitkamen. „Ist das etwas Illegales?“

„Etwas politisch Brisantes“, antwortete Graf, ohne die Frage wirklich zu beantworten.

„Also illegal.“

„Ich würde eher sagen, es ist riskant. Wenn Sie Ihre Tarnung verlieren, sind Sie Ihren Job los. Und nicht weil ich Sie dann rausschmeiße, sondern weil es jemand anders tut.“

„Das sind ja tolle Aussichten.“

„Ich weiß, dass Sie ein relativ guter Mann sind.“ Graf schaffte es, selbst einem Lob noch eine Portion Gift mitzugeben.

Der Polizeichef holte einen Brief sowie ein ausgefülltes und unterschriebenes Formular aus seinem Schreibtisch und hielt Lindberg beides vor die Nase. „Ich habe eine Antwort an das LKA Berlin aufgesetzt, in dem ich erkläre, der Herr Kommissar Lindberg sei in meinem Auftrag in Berlin gewesen, weil wir Hinweise auf Wohlers Aufenthalt in der Schweiz hatten und der Antrag zur Beweismitteleinsicht sei bei den Kollegen in Berlin wohl verloren gegangen, genauso wie das originale Sudoku-Heft.“ Graf klang so großkotzig-generös wie ein Adeliger, der gerade seine soziale Ader entdeckt hat. „Sie haben Glück im Unglück, dass ich an einer Sache dran bin, bei der ich jemanden wie Sie brauchen kann.“ Er legte beide Papiere wieder auf seinen Schreibtisch. „Davon gibt es nur diese Originale, unterschrieben von mir. Haben Sie den Spezialauftrag in zwei Wochen abgeschlossen, können Sie diese Unterlagen nach Berlin schicken. Falls nicht, sind Sie gefeuert.“

Graf will mich echt erpressen. „Was ist das für ein Spezialauftrag?“

„Das sage ich Ihnen erst, wenn Sie den Auftrag annehmen.“

„Und in der Zwischenzeit vernichten Sie das Schreiben und können sich an nichts mehr erinnern …“

„Sehen Sie, deswegen sind Sie Kommissar und kein Streifenpolizist.“ Graf grinste. „Wir legen beide Papiere in ein Bankschließfach, das nur mit zwei verschiedenen Schlüsseln geöffnet werden kann. Einen Schlüssel bekommen Sie, einen ich.“

Ist er ein verdammter Geheimagent, oder was? Der hat anscheinend nur darauf gewartet, dass ich einen Fehler mache. „Und worum geht es jetzt?“

„Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn Sie mir versprochen haben, mitzumachen.“ Graf lächelte entschuldigend. „Ich würde das ja gerne schriftlich fixieren, aber das würde mich im Fall der Fälle leider auch belasten, also vertraue ich ausnahmsweise auf Ihr Wort.“

„Und wenn ich Ihren Auftrag ablehne?“

„Dann werde ich Sie entlassen. Und dafür sorgen, dass Sie nie wieder als Polizist arbeiten.“

Lindberg schüttelte den Kopf. „Das ist Erpressung.“

„Erpressung ist ein unschönes Wort“, entgegnete Graf. „Ich gebe Ihnen eine zweite Chance, sehen Sie das mal so.“

Lindberg rieb sich die Stirn. Das Schweizer Kündigungsschutzgesetz war löchriger als Emmentaler Käse. Genaugenommen bestand es nur aus Löchern, denn jeder konnte jederzeit gekündigt werden, außer während einer Schwangerschaft, Krankheit oder dem Wehrdienst. Zwar galt das nicht für fristlose Kündigungen, aber was spielte das schon für eine Rolle? Außerdem hatte Graf als Bundespolizeichef weitreichende Beziehungen. Er konnte es ihm tatsächlich unmöglich machen, wieder eine Stelle als Kommissar zu finden. „Wie lange habe ich Bedenkzeit?“, fragte Lindberg.

„Gar nicht.“ Graf zuckte nicht mal mit der Wimper. „Wenn Sie das Büro verlassen, habe ich entweder Ihre Zusage oder Sie sind gefeuert.“

„Dann gehe ich.“ Lindberg stand auf.

Graf blickte überrascht auf. Zum ersten Mal wirkte er verunsichert. „Das ist nicht Ihr Ernst?“

„Nehmen wir mal an, ich erledige den Auftrag. Woher weiß ich, dass Sie mich danach nicht immer noch in der Hand haben, weil Sie mich zu etwas Illegalem gezwungen haben?“

„Ich zwinge Sie zu gar nichts“, sagte Graf.

Lindberg ging zur Tür.

„Sie … Sie müssen nur so ermitteln, wie Sie es sonst auch tun“, erklärte Graf. „Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie sich dabei nicht immer an die Gesetze halten.“

„Weil es der Gerechtigkeit dient.“ Lindberg war stehen geblieben, drehte sich wieder zu Graf. „Und weil ich damit niemandem schade. Außer dem Täter.“

„Das gilt in diesem Fall genauso.“

„Und was ist das Ziel der Ermittlung?“

„Sie sollen mir Beweise beschaffen, damit ich jemanden vor Gericht bringen kann.“

„Warum engagieren Sie keinen Privatdetektiv?“

„Ich habe Ihnen genug erzählt.“

„Und wenn es diese Beweise nicht gibt?“

„Es gibt sie. Punkt.“ Graf blickte Lindberg ernst an. „Wenn es schiefgeht, wird es auch meinen Kopf kosten.“

Na endlich mal was Positives. Lindberg atmete tief aus und ging langsam zurück zu Grafs Schreibtisch.

„Ich wusste doch, dass ich mich auf Sie verlassen kann.“ Graf lächelte. Das Lächeln des Teufels, der kurz davor stand, eine Seele zu kaufen.

Lindberg setzte sich. „Wir gehen direkt von hier zur Bank.“

Graf nickte und steckte beide Schreiben in einen frankierten und an das Berliner LKA adressierten Umschlag. „Aber vergessen Sie nicht, Sie haben nur zwei Wochen. Danach wird das Schließfach aufgelöst und der Inhalt von der Bank vernichtet.“

Lindberg seufzte, wollte etwas antworten, doch im nächsten Moment klingelte sein Handy. Es war die Leiterin der Spurensicherung Katharina Zach. Halb aus Fluchtreflex, halb aus Interesse nahm er das Gespräch an.

„Bist du wieder aus dem Urlaub zurück?“

Lindberg brummelte ein Ja.

„Ich kann deine Begeisterung durchs Telefon spüren“, entgegnete sie. „Demnach wirst du dich freuen zu hören, dass wir einen Todesfall im rechtsmedizinischen Institut haben.“

„Im rechtsmedizinischen Institut? Ist Molet endgültig durchgedreht?“

„Le ’Obbydiktator erfreut sich immer noch bester Gesundheit“, entgegnete Katharina. „Und der Todesfall hat sich auch nicht dort ereignet, sondern in Sibirien. Aber die Leiche wurde jetzt überstellt, in zwei Stunden beginnt die Obduktion. Ich dachte, du willst vielleicht dabei sein.“

Lindberg blickte Graf an. „Ich muss noch etwas erledigen, aber das sollte zu schaffen sein.“

„Gut“, entgegnete Katharina. „Sei ausnahmsweise mal pünktlich. Molet hat nämlich etwas von besonderen Sicherheitsvorkehrungen erzählt.“

6

Mia Adam saß am Fuß des Kühlturms, die Hände hinter dem Rücken mit einem Kabelbinder zusammengebunden. Anscheinend waren den Polizisten die Handschellen ausgegangen, oder man machte das hier im Aargau so.

Mia sagte kein Wort, starrte nur den Betonboden an, als könne der ihr helfen. Sie hatte sich nicht abgeseilt, also waren zwei Polizisten zu ihr hinaufgekommen und hatten sie wie einen reifen Apfel gepflückt.

„Aufstehen!“, rief einer der Polizisten, doch sie reagierte nicht. Erst als alle schon aufgestanden waren, ließ Mia sich von einem Polizisten aufhelfen.

Sie liefen an der Umzäunung des Kraftwerks entlang in Richtung Eingangstor und Mia konnte schon von Weitem den Übertragungswagen des Schweizer Fernsehens erkennen. Sie unterdrückte einen Fluch, dann erst sah sie, wie Tim strahlte.

Auf der anderen Seite des Metallzaunes standen ein paar Dorfbewohner und grinsten höhnisch, einer brummelte etwas, das klang wie: Das geschieht denen recht.

So kurz vor der Volksabstimmung über die Zukunft der Atomkraft in der Schweiz war die Meinung im Land in zwei unvereinbare Lager gespalten.

Die Schweizer AKWs waren allesamt in die Jahre gekommen. Bei der Abstimmung ging es darum, ob man die Kraftwerke nach fünfundvierzig Jahren abschaltete oder weiterlaufen ließ, mit einer unbefristeten Betriebsbewilligung.

Die es weltweit in keinem einzigen Land für ein Atomkraftwerk gab.

In zwei Wochen würde es sich entscheiden. Alles war offen, denn Mia wusste, man war gerne autark in der Schweiz. Nur schienen dabei aus ihrer Sicht einige zu vergessen, dass man Uran importieren musste, Wind, Wasser und Sonne aber nicht.

Fünfundvierzig war zwar ein gutes Alter, aber nicht für ein Atomkraftwerk.

In Basel, Bern, Genf und Zürich war die Meinung eindeutig, doch befand Mia sich in keinem dieser Städte, sondern in der Nähe des Örtchens Däniken, auf dessen Gemarkung das Atomkraftwerk Gösgen stand.

In solchen Orten herrschte eine gewisse Bunkermentalität. Die Einwohner, die das AKW als Gefahr betrachteten, waren schon lange weggezogen.

Und so hoffte man in Däniken – und in den umliegenden Ortschaften –, dass sich die Bevölkerung für den Weiterbetrieb entschied. Denn man wusste, dass eine Entscheidung gegen die Atomkraft langfristig den Tod der Gemeinden um das Kraftwerk herum bedeuten würde. Ohne das AKW gab es dort keine Arbeit. Und ohne Arbeit gab es keinen Lohn. Und ohne Lohn niemanden, der in den lokalen Geschäften einkaufen würde. Außer ein paar Rentnern. Glorreiche Konsumentenzukunft sah anders aus. All das machte Aktionen in solchen Orten so heikel. Für beide Gruppen ging es um ihre Art zu leben.

Für einen bulligen Kerl mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln schien es jedoch um etwas anderes zu gehen. Er streckte den rechten Arm aus. „Landesverräter!“, brüllte er in Richtung der Aktivisten.

Mia trug auch Springerstiefel, aber ihre politische Einstellung hätte nicht gegensätzlicher sein können.

Sie fand es ohnehin absurd, dass es in der Schweiz Nazis gab, schließlich hatte aus ihrer Sicht Hitler nur deshalb die Eidgenossenschaft nicht eingenommen, weil sie ihm neutral nützlicher schien, denn als Protektorat. Doch Köpfe, die auf einfache Lösungen programmiert waren, würden das ohnehin nicht verstehen, also ignorierte Mia den Skinhead.

Er jedoch schien an Mia Gefallen zu finden, stellte sich direkt an den Zaun. „Hey, Rotschopf!“, rief er. „Du brauchst mal einen echten Schweizer Mann, damit du auf andere Gedanken kommst!“ Er steckte seine Zunge durch den Zaun und bewegte sie provozierend hin und her.

Mia tat so, als würde sie ihn ignorieren, doch als sie auf seiner Höhe war, holte sie mit dem rechten Fuß aus und traf so zielsicher, wie sie es im Judo-Training nie geschafft hatte.

Die Glatze krümmte sich vor Schmerzen, Blut lief aus seinem Mund.

Einer der Polizisten riss Mia vom Zaun weg, die Glatze sank theatralisch auf den Boden und brummelte irgendetwas Unverständliches in seinen Hohlkörper hinein.

Dann erst erblickte Mia den Fotografen. Ein Kamerablitz knallte ihr in die Augen. Und Mia wusste, das würde kein gutes Ende nehmen.

7

„Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn ich nicht in Berlin gewesen wäre?“, fragte Lindberg, während er mit Graf per Lift in die Tiefgarage der Bundespolizei fuhr.

„Glauben Sie wirklich, Sie haben so wenig Fehler?“ Der Bundespolizeichef grinste. „Ich hätte immer etwas gefunden.“

Lindberg schenkte sich eine Antwort. Vielleicht hatte Graf mit seiner Behauptung ja recht. „Also, worum geht es?“

„Ich erkläre es Ihnen während der Fahrt.“ Graf stieg in seinen neuen Jaguar. „Toller Schlitten, oder?“ Seine Augen funkelten vor Stolz.

„Ich steh nicht so auf Autos.“

„Ihre Kollegin schon.“

Wie meint er das jetzt? Hat er Mia genauso in der Hand?

Graf schaltete sein Handy aus. „Machen Sie das bitte auch“, sagte er. „Falls wir geortet werden.“

Lindberg blickte ihn irritiert an, tat aber, was Graf befohlen hatte. Der Polizeichef gab Gas und fuhr auf die Hauptstraße. „Ist Ihnen am Bundesanwalt in letzter Zeit etwas aufgefallen?“

„Sie meinen Schiller?“

„Genau. Der Giftzwerg.“

Lindberg war überrascht, dass der Bundespolizeichef Schillers Spitznamen kannte. Vielleicht war er aber auch zu offensichtlich, denn jeder von Schillers hundertneunundfünfzig Zentimetern bestand aus ausgehärteter, giftiger Galle. Zumindest sah er so aus. Blass, drahtig und mit einer Frisur, die selbst Kojak stolz gemacht hätte. „Was ist mit ihm?“, fragte Lindberg.

„Sie sollen ihn beschatten.“

„Beschatten?“ Lindberg warf Graf einen fragenden Blick zu. „Und wie soll ich das machen, jetzt, wo wir einen neuen Fall haben?“

„Für das Timing kann ich nichts.“ Graf räusperte sich. „Außerdem gibt es Abkürzungen zum Glück.“

„Wie meinen Sie das?“

„Wie ich gehört habe, ist kein Türschloss vor Ihnen sicher.“

Lindberg blickte aus dem Seitenfenster, die Sonne schien, doch seine Laune entsprach eher tausend Tagen Regenwetter. „Sie wollen, dass ich bei Schiller einbreche? Beim Bundesanwalt?“

„Wie Sie zu den Beweisen kommen, bleibt Ihnen überlassen.“

Lindberg beugte sich näher zu Graf. „Und was soll ich beweisen?“

„Das erzähle ich Ihnen, nachdem wir im Tresorraum waren.“

Graf parkte den Wagen auf dem Kundenparkplatz der Bank Privé. Mein Chef muss ja einiges beiseitegelegt haben, wenn er hier ein Konto hat.

Graf klingelte an der verschlossenen Außentür der Bank. „Das Reden überlassen Sie mir.“

Die beiden wurden hineingebeten, doch die Freundlichkeit des Bankangestellten bezog sich ausschließlich auf Graf. „Wir würden gerne das reservierte Schließfach eröffnen“, sagte der Bundespolizeichef.

Der Bankangestellte warf Lindberg einen blasierten Blick zu. „Können Sie sich legitimieren?“

Lindberg schob seinen Ausweis über den Tresen.

Der Angestellte kopierte den Ausweis, ging an ein Terminal und gab ein paar Daten ein. „Zugriff erhalten die Herren Lindberg oder Graf, nur innerhalb der nächsten vierzehn Tage und nur nach vorheriger Ausweiskontrolle sowie mittels beider Schlüssel“, sagt er schließlich und führte sie in einen Tresorraum im Keller. Er deutete auf ein Schließfach. „Nach vierzehn Tagen wird das Fach aufgelöst und der Inhalt vernichtet.“ Er blickte Graf an. „Möchten Sie jetzt etwas deponieren?“

Der Polizeichef nickte.

Der Angestellte ging zu dem Schließfach, nahm erst den einen Schlüssel, steckte ihn hinein und drehte ihn nach links. Dann nahm er den anderen und tat dasselbe.

Das Schließfach öffnete sich. Es war keine zehn Zentimeter hoch und nur zwanzig Zentimeter tief sowie breit. Graf holte den frankierten Umschlag aus seiner Jacketttasche und legte ihn in das Fach. Der Bankangestellte drückte die kleine Tür zu, drehte die beiden Schlüssel wieder zurück und zog sie ab. Dann gab er einen Schlüssel Graf und einen Lindberg.

Wieder oben im Foyer wurden sie von dem Bankangestellten verabschiedet. Es grenzte an ein Wunder, dass der Mann sich durchringen konnte, Lindberg die Hand zu geben.

Auf dem Weg zum Jaguar schwieg Graf.

„Warum ich?“, fragte Lindberg schließlich.

Graf grinste. „Man muss eben die Opportunitäten nutzen, die sich einem bieten.“

„Was genau für Beweise wollen Sie gegen Schiller?“

Graf stieg in den Wagen und ließ den Motor an. „Sie müssen wissen, dass Herr Schiller und ich nicht das beste Verhältnis haben.“

Du willst seinen Job. Und mich dafür benutzen. „Das ist kein Grund, ihn überwachen zu lassen.“

„Nein, das ist es nicht.“ Graf strich sich über die Glatze. „Ich habe aber den Verdacht, dass Schiller eine minderjährige Freundin hat.“

„So etwas muss nicht illegal sein.“

„Wenn es sich um eine Schutzbefohlene handelt, ist es das. Oder wenn sie gezwungen wird.“

„Und wie soll ich das Verhältnis beweisen?“

„Da er mit ihr nicht einfach in ein Hotelzimmer spazieren kann, treffen sie sich anscheinend bei ihm zu Hause.“

„Schiller ist doch verheiratet“, entgegnete Lindberg. „Und hat er nicht sogar eine minderjährige Tochter?“

„Seine Tochter ist siebzehn, ist gemeinsam mit der Mutter vor vier Wochen ausgezogen, die Scheidung ist aber noch nicht eingereicht.“

Lindberg musterte Graf. „Sie wollen Schiller also loswerden, weil er Sex mit einer Minderjährigen hat?“

„Dafür würde ich wohl kaum meine Karriere riskieren“, entgegnete Graf. „Ich will, dass er mir Informationen liefert, um die Hintermänner dranzubekommen.“

„Hintermänner für was?“

„Es ist besser, wenn Sie nicht alles wissen.“

„Mir könnte bei der Überwachung aber etwas auffallen.“

„Schiller ist kein Anfänger.“

„Immerhin geht er nach Ihren Informationen mit einer Minderjährigen ins Bett.“

„Manche haben viele Schwachstellen.“ Graf lächelte Lindberg an. Es war klar, wen er damit meinte. „Schiller hat nur eine einzige. Wir bekommen ihn so, oder wir bekommen ihn gar nicht.“

„Als Bundesanwalt steht Schiller unter Personenschutz“, entgegnete Lindberg. „Wie soll ich ihn da unauffällig überwachen? Und wieso empfängt er die Minderjährige daheim? Wo es jeder Personenschützer mitbekommt?“

„Wenn er seine Dates hat, schickt er die Personenschützer anscheinend vorher weg.“ Graf grinste. „Das kam denen merkwürdig vor, daher stammt der Tipp auch aus diesen Kreisen.“

„Und warum überwachen ihn dann diese Kreise nicht gleich selbst und liefern den Beweis?“

Graf bog in die Tiefgarage der Bundespolizei und parkte seinen Jaguar. Dann erst blickte er Lindberg an und zuckte mit den Schultern. „Da wollte niemand das Risiko eingehen.“

Klar, die konnte man ja auch nicht erpressen. Lindberg rieb sich die Stirn. „Ich beweise, dass Schiller Sex mit einer Minderjährigen hat, wir gehen zur Bank und ich bekomme den Umschlag mit meiner Entlastung für das LKA in Berlin?“

„Exakt.“

„Keine Nebenabreden?“

Graf stieg aus dem Jaguar. „Nur absolute Verschwiegenheit. Niemand darf je von unserem kleinen Arrangement erfahren.“

„Das gilt auch für Sie?“ Lindberg stellte sich vor den Polizeichef.

„Selbstverständlich.“ Graf lächelte, klopfte Lindberg auf die Schulter und ging an ihm vorbei. „Ich muss auf ein Meeting. Ich erwarte morgen früh einen Bericht von Ihnen, alles klar?“

„Zu dem Todesfall im rechtsmedizinischen Institut oder zu dem Spezialauftrag?“

Graf rieb sich die Hände. „Natürlich zu beidem.“ Dann ließ er Lindberg einfach stehen.